Die Anfänge: MCF, Scripting News und CDF

(Auszug aus "Newsfeeds mit RSS und Atom" von Heinz Wittenbrink, erschienen bei Galileo Press, 2005)

Die verschiedenen Einflüssse, die später zur Entstehung unterschiedlicher Versionen von RSS führten, zeigen sich schon in der Vorgeschichte dieser Formate. Vorgänger von RSS waren ein Metadatenformat – das MCF ("Meta Content Framework") – und Formate für News-Channels wie das Scripting News Format und Microsofts Channel Definition Format.

Das World Wide Web wurde als ein Netz von Texten entwickelt, die miteinander verknüpft sind. Die Protokolle und Standards, denen das Web seine lawinenartige Entwicklung verdankt, nämlich HTTP und HTML, beschreiben, wie Webdokumente strukturiert sind, wie sie publiziert, verändert und abgerufen werden. HTML reflektiert aber nicht, dass viele dieser Dokumente oft und in vielen Fällen auch regelmäßig verändert bzw. aktualisiert werden. In der Infrastruktur des Web, die sich in der ersten Hälfte der 90er Jahre herausbildete, beschäftigen sich Software-Entwickler und deren Kunden mit den Anforderungen, die permanent veränderte und aktualisierte Ressourcen im Web stellen. So entstanden die ersten Content-Management-Systeme und Browser-Addons wie der Netscape-Sidebar oder Java-Applets mit Börsentickermeldungen. Dabei wurde deutlich, dass einheitliche Formate und Protokolle, welche die permanente Aktualisierung von Webressourcen unterstützen, den Publizisten und den Benutzern das Leben und Arbeiten im Web erleichtern. Solche Formate werden seit Mitte der 90er Jahre entwickelt.

Meta Content Framework und Channel Definition Format

Die Ursprünge von RSS reichen mindestens bis 1995 zurück. Damals konzipierte Ramanathan V. Guha das Meta Content Framework (MCF). Apple verwendete das Meta Content Framework in einem experimentellen Projekt namens ProjectX, später HotSauce. MCF ermöglicht es, Sites mit Metadaten zu beschreiben, die in einer eigenen MCF-Datei zu finden sind. HotSauce stellt diese Metadaten in einem Netz dar, in dem man dreidimensional navigieren kann. 1995 wechselte Guha zu Netscape und stieß dort auf Tim Bray, einen der wichtigsten Entwickler des späteren XML-Standards. Zusammen transformierten sie MCF zu einem XML-basierten Format. Aus diesem Projekt entwickelte sich das Resource Description Format (RDF) – die Basistechnologie des Semantic Web.

Parallel dazu entwickelte Microsoft zusammen mit Pointcast und anderen Firmen ein ebenfalls XML-basiertes Format zur Beschreibung von Websites weiter, das Channel Definition Format (CDF) genannt wurde. CDF erlaubte die Beschreibung von Inhalten, Publikationsplänen (Scheduling), Logos und Metadaten einer Site. Es wurde in den Internet Explorer 4 integriert und diente als Basistechnik für Microsofts sogenannten "Active Desktop".

UserLands Scripting News Format

Das wohl älteste Syndikationssformat im heutigen Sinne ist das Scripting News Format von UserLand.com. Dave Winer hatte es bereits im Dezember 1997 beschrieben und öffentlich implementiert. Bis heute bieten eine Reihe von Sites Newsfeeds in diesem Format an. Bereits in diesem Format ist jeder Eintrag ein Abschnitt mit Links. Winer versuchte, die grundlegenden Eigenschaften des Schreibens für das Web zu modellieren, statt wie die frühen Versionen von RSS, nur Titel anzubieten. 1999 nahm Winer wichtige Elemente von RSS 0.9 in die Version 2 des Scripting News Format auf.

RSS 0.9

1999 führte Netscape RSS 0.9 als Format ein, um Informationskanäle zu beschreiben und Inhalte zu aggregieren. RSS machte es möglich, in dem Portal "My Netscape" Schnappschüsse von Inhalten zu publizieren. RSS erwies sich über diese Anwendung hinaus bald als leistungsfähiges, einfaches XML-Format für die Syndikation von Inhalten.

RSS-Kanäle enthielten zunächst vor allem Nachrichten, aber schon bald kamen neue Typen von Inhalten hinzu. RSS-Feeds informierten z. B. über Beiträge in Diskussionsforen, Wikis und über neue Softwareversionen.

RSS war die Abkürzung für "RDF Site Summary" (zu RDF und RSS als "RDF Site Summary" siehe RSS für das Semantic Web: RSS 1.0 und RSS 1.1, zur Erklärung des Begriffs vor allem die Seite RDF-Grundlagen). Mit RSS konnte man Überschriften von anderen Sites mit Links zu diesen Sites in das Portal integrieren. Der Benutzer konnte das Portal personalisieren und Inhalte von beliebigen Sites abonnieren, die RSS-Daten anboten. My Netscape verfügte so über eine große Menge zusätzlicher Inhalte, die die Benutzer länger auf der Site hielten. Die Anbieter von RSS-Daten erhielten zusätzlichen Traffic – in den Zeiten des "Dot.com-Booms" das wichtigste Ziel vieler Websites. Da es leicht ist, RSS in HTML zu konvertieren, verwendeten andere Sites bald dieselbe Technik. Slashdot benutzte RSS statt seines eigenen Überschriftenformats, und es entstanden Werkzeuge, um RSS in den gängigen Scripting-Sprachen zu erzeugen und zu verarbeiten.

Die ersten Desktop-Headline-Viewer wurden bereits 1999 veröffentlicht (Carmen's Headline Viewer, Vgl. http://www.headlineviewer.com/ und Ben Hammersleys Artikel im Guardian: "Working the web: Newsreaders"). Diese Anwendungen ermöglichten es, RSS-Informationen herunterzuladen und dann ohne stehende Internetverbindung zu lesen. Ebenfalls schon früh entstanden RSS-Directories wie syndic8 und Aggregatoren.

Die erste Version von RSS hatte Dan Libby als reine RDF-Anwendung entwickelt. Bei Netscape sah man dieses Format aber bald als zu kompliziert an und ersetzte es durch ein vereinfachtes Vokabular. Bei diesem handelte es sich nicht mehr um weiterverwendbares RDF, aber auch nicht um ein wirklich einfaches Format. Für RSS 0.91 verzichtete Netscape dann schon wenig später vollständig auf RDF. Diese Entscheidung provozierte die erste Spaltung bei der Entwicklung der Syndikationsformate – eine Spaltung, die bis heute andauert: Eine Gruppe von Entwicklern versteht RSS als ein XML-Format zum Austausch von Nachrichten und anderen häufig aktualisierten Inhalten. Die andere Gruppe versteht es außerdem als ein Metadatenformat, also ein Instrument der Wissensrepräsentation. Die Debatte darüber, ob Newsfeed-Dokumente zugleich RDF-Dokumente sein sollen, ist bis heute nicht entschieden.

Bereits im ersten Jahr der Existenz von RSS-Feeds waren im Web 4.000 verschiedene RSS-Feeds zu finden. 2002 durchbrach das RSS-Verzeichnis syndic8 die Schwelle von 10.000 Feeds.

   

<< zurück vor >>

 

 

 

Tipp der data2type-Redaktion:
Zum Thema Newsfeeds mit RSS und Atom bieten wir auch folgende Schulungen zur Vertiefung und professionellen Fortbildung an: