RSS für das Semantic Web: RSS 1.0 und RSS 1.1

(Auszug aus "Newsfeeds mit RSS und Atom" von Heinz Wittenbrink, erschienen bei Galileo Press, 2005)

RSS 2.0 wirkt sehr einfach, RSS 1.0 sehr komplex. Wenn man sich intensiver mit den beiden Formaten auseinandersetzt, merkt man, dass dieser Eindruck trügt: RSS 2.0 ist einfach, weil viele Probleme nicht explizit formuliert werden. Die Komplexität von RSS 1.0 ist erforderlich, um ein sehr einfaches Prinzip zu realisieren. RSS 2.0 legt nur ein XML-Format fest, während RSS 1.0 auf einem semantischen Modell beruht: Den Inhalt eines Dokuments bilden dabei Feststellungen über die Eigenschaften von Ressourcen.

RSS 1.0 hat nicht nur eine niedrigere Versionsnummer als RSS 2.0, es wurde auch früher vorgelegt (siehe RSS 1.0). Die Entwickler lösen die Abkürzung als "RDF Site Summary" auf. Wie hinter RSS 2.0 steht auch hinter RSS 1.0 kein Standardisierungsgremium; das Copyright liegt allein bei den Autoren. Allerdings wurde wesentlich genauer als bei RSS 2.0 darauf geachtet, dass das Format mit anderen Standards zusammenpasst.

Das wichtigste Kommunikationsinstrument für die Entwicklung von RSS 1.0 und für die weitere Diskussion dieses Formats ist die Mailingliste rss-dev. Zu RSS 1.0 gehören einige Standardmodule und zahlreiche vorgeschlagene Module.

Modularisierung

Ein wichtiges Motiv für die Entwicklung von RSS 1.0 war, dass die vorhandenen Formate nur in sehr beschränktem Umfang beschreibende Metadaten anboten. RSS 1.0 soll es erlauben, Metadaten für so unterschiedliche Inhalte wie Jobangebote, Diskussionslisten und Wikis zu beschreiben. Die RSS 1.0-Entwickler entschieden sich dagegen, neue Elemente in den Kern von RSS aufzunehmen, um diesen Kern stabil zu halten und nicht immer aufs Neue revidieren zu müssen. Aus diesem Grund ist die Spezifikation auf Modularität ausgerichtet – die Kernfunktionalität von RSS bleibt identisch, zusätzliche Funktionalität wird in Modulen angeboten, die austauschbar bleiben.

Tatsächlich ist RSS 1.0 ein relativ frühes Beispiel für einen modularisierten Standard, inzwischen liegen modularisierte Spezifikationen für wichtige andere XML-Vokabulare vor. Als Mechanismus für die Modularisierung verwendet RSS 1.0 die XML-Namensräume, die es erlauben, Elemente aus verschiedenen XML-Vokabularen in einem Dokument gemeinsam zu verwenden. Als RDF-Module sind die verschiedenen Bestandteile von RSS 1.0 darüber hinaus semantisch eindeutig aufeinander bezogen.

RSS 1.0 konnte sich nicht auf breiter Ebene gegen RSS 2.0 und dessen Vorgängerformate durchsetzen. Es gibt zwar viele Werkzeuge, die RSS 1.0 generieren, die spezifischen Möglichkeiten, die dieses Format bietet, werden jedoch nur selten ausgenutzt. Im Augenblick liegen nur etwa ein Zehntel aller Newsfeeds in diesem Format vor.

RSS 1.0 war das erste erweiterbare Syndikationsformat, es definierte eindeutig, wie HTML-Markup zu behandeln war, es bot einen präzisen Mechanismus, um RSS-Feeds, ihre Bestandteile und ihre Objekte zu identifizieren, und es war offen für jede beliebige Art von Inhalten. Aber: RSS 1.0 ist schwieriger als RSS 2.0 – nicht unbedingt für Entwickler, sicher aber für Autoren und Konsumenten von Newsfeeds. Was vielen seiner Verfechter als größter Vorteil von RSS 1.0 erscheint, erweist sich im Urteil seiner Gegner als sein größter Nachteil: RSS 1.0 ist ein RDF-Format wie RSS 0.9, das erste aller Formate mit dem Namen RSS. Die Syntax von RSS 1.0 ist komplizierter als die von RSS 2.0, und die Semantik hat so viele Voraussetzungen, dass die meisten Darstellungen von RSS 1.0 es ihren Lesern ersparen, sie zu erklären.

Verwendung des Resource Description Framework

Formal oder technisch besteht der entscheidende Unterschied zu RSS 2.0 und seinen Vorgängerformaten darin, dass RSS 1.0-Dokumente dem RDF-Datenmodell entsprechen und die RDF/XML-Syntax verwenden. Inhaltlich ist RSS 1.0, wie bereits die Bezeichnung RDF Site Summary andeutet, ein Metadatenformat: In RSS 1.0-Dokumenten werden andere Dokumente beschrieben. Ein RSS 1.0-Dokument dient also nicht der Publikation von Informationsobjekten, die es nicht in anderer Form, etwa als Teile von HTML-Seiten, bereits gibt.

Die Modularisierung von RSS soll vor allem differenzierte und ausführliche Beschreibungen vorhandener Informationen ermöglichen. Die Kernelemente stellen lediglich Container für diese expliziten und erweiterbaren Metadaten dar. Ausdrücklich wird Syndikation als ein Hauptzweck von RSS bezeichnet, verstanden als das Zugänglichmachen von Daten für "retrieval and further transmission, aggregation, or online publication".

Ein Feed über ein Diskussionsforum soll z. B. darüber informieren können, auf welche vorangehenden Beiträge sich ein neuer Diskussionsbeitrag bezieht. Ein Feed über Sportergebnisse sollte Informationen darüber enthalten, von welcher Sportart in einer Meldung die Rede ist und in welchem Land der Wettkampf stattgefunden hat.

RSS wird in dem einleitenden Abstract der Spezifikation als "Lightweight Multipurpose Extensible Metadata Description and Syndication Format" bezeichnet. Durch sein "geringes Gewicht" unterscheidet es sich von Syndikationsformaten wie ICE (siehe die Tabelle auf der Seite Die Versionen von RSS und Atom und ihre Entwicklung), die für die Medienindustrie entwickelt werden. Die Spezifikation geht zugleich davon aus, dass RSS in Zukunft in weiteren Anwendungsbereichen benutzt werden wird. Das ist mit dem Ausdruck "multipurpose" gemeint.

   

   

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