Entwurfsprinzipien

(Auszug aus "Newsfeeds mit RSS und Atom" von Heinz Wittenbrink, erschienen bei Galileo Press, 2005)

Primärsyndikationsformat

Dave Winer und seine Mitarbeiter lösen die Abkürzung "RSS" als "Really Simple Syndication" auf. Beginnend mit der UserLand-Version von RSS 0.91, konzipierten und propagierten sie RSS als Mittel, um Nachrichten und Weblog-Einträge zu syndizieren. Vor allem Newsreader und Aggregatoren lesen dieses Format. Winer entwarf RSS 2.0 weder – wie RSS 1.0 – als umfassendes, erweiterbares Metadatenformat noch – wie Atom – als Format, um Newsfeeds zu editieren und zu archivieren.

Einfachheit

Die Einfachheit unterscheidet RSS 2.0 sowohl von RSS 1.0 als auch von Atom. Dank ihrer technischen Schlichtheit etablierten sich RSS 2.0 und seine Vorgängerformate als Synonym von "Syndikation" im Web. Wer nach dem besten unter den vorhandenen Syndikationsverfahren sucht, fragt vor allem, ob die Vorteile der Simplizität von RSS 2.0 deren Nachteile aufwiegen.

"Literarisches XML"

Dave Winer, der Autor der Spezifikation, spricht von Menschen, für die XML ein "literarischer Raum" ist. Winer wünscht sich XML-Dokumente, die so verständlich wie Literatur sind. Mit RSS 2.0 schuf er einen Paradefall von "XML für Autoren": Die Namen fast aller RSS-Elemente sind intuitiv verständlich. Elemetare HTML-Kenntnisse genügen, um einen Text mit ein paar Tags in ein RSS-Dokument zu verwandeln. Die Dokumente haben eine flache Struktur. Attribute tauchen nur selten auf, Namensräume nur in Erweiterungen. HTML-Markup lässt sich in den Inhalt der beschreibenden Elemente integrieren, wenn man die Markup-Begrenzer maskiert.

Flache Dokumentstruktur

Die Struktur eines RSS 2.0-Dokuments gleicht der eines Aufsatzes mit Einleitung und Unterabschnitten. Eine einfache Gliederung (englisch: outline) mit nur zwei Hierarchiestufen kann diese Struktur beschreiben. Außer rss und channel besitzt sie nur drei obligatorische Elemente: text, link und description. Die meisten Metadaten-Elemente eines RSS 2.0-Dokuments beschreiben den ganzen channel und damit alle Einträge eines Feeds. Daten mit unterschiedlicher Funktion, z. B. Metadaten und Daten, die Inhalte aufnehmen, werden im Dokumentformat nicht voneinander unterschieden. RSS 2.0 kennt keine rekursiven Strukturen, wie sie für Atom vorgeschlagen wurden. Es benötigt auch nicht, wie RSS 1.0, eigene Namensräume für häufig benutzte Elementtypen.

Leichte Erweiterbarkeit

Anders als seine Vorgänger besitzt RSS 2.0 Mechanismen, um das Vokabular durch Elemente zu erweitern. Erweiterungselemente müssen aus einem definierten XML-Namensraum stammen. Die Spezifikation sagt aber nichts darüber aus, in welchem Verhältnis die Elemente aus anderen Namensräumen zu den RSS-Elementen stehen. Ein Autor oder Benutzer kann an beliebigen Stellen eines Dokuments Elemente aus Erweiterungen verwenden. Er muss selbst sicherstellen, dass der Adressat – sei es ein menschlicher Benutzer oder eine Applikation – etwas mit diesen Daten anfangen kann.

Bei RSS 1.0 und 1.1 schreibt dagegen das RDF-Datenmodell vor, auf welche Weise ein RSS-Parser die Elemente aus den verschiedenen Namensräumen aufeinander beziehen soll. Atom erlaubt Ergänzungen aus anderen Namensräumen nur an bestimmten Stellen eines Dokuments und unterscheidet zwischen einfachen und strukturierten Erweiterungen.

Einfachheit der Spezifikation

Die RSS 2.0-Spezifikation verlangt von ihrem Leser nur minimale technische Kenntnisse. Winer greift nicht auf andere XML-Spezifikationen und kaum auf andere Standards zurück, um die Syntax von RSS 2.0 zu definieren, und verzichtet darauf, die semantischen Voraussetzungen der RSS 2.0-Spezifikation explizit zu machen. Um zu erklären, was die einzelnen Sprachbestandteile bedeuten, bemüht er die gängige Praxis bei den RSS-Feeds von News-Sites und Webloggern, beschreibt die Bedeutung der Elemente in Umgangssprache und zieht oft einfach Beispiele heran. Wie die britische und amerikanische Rechtssprechung orientiert er sich an Präzedenzfällen statt an einem allgemein gültigen Modell.

Kompatibilität mit älteren Versionen

Das Bestreben, die Kompatibilität mit den Vorgängerversionen (RSS 0.91, RSS 0.92, RSS 0.93) zu wahren, erklärt viele Eigenschaften des Designs von RSS 2.0. Jedes RSS 0.91-Dokument soll auch ein gültiges RSS 0.92-Dokument, jedes RSS 0.92-Dokument ein gültiges RSS 2.0-Dokument sein. Die zusätzlichen Features der späteren Versionen sind immer optional; zum Teil bezeichneten spätere Versionen obligatorische Elemente früherer Versionen als optional.

Abgeschlossenheit

Im Gegensatz zu ihren Vorgängerformaten bezeichnet Dave Winer RSS 2.0 in der Spezifikation ausdrücklich als eingefroren ("frozen"). Neue Versionen sind lediglich als Bugfix-Releases möglich. (Aktuell ist die Version 2.0.11.) Um das Format weiterzuentwickeln, sollen entweder Module benutzt werden oder aber ganz neue Syndikationsformate mit neuen Namen.

   

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