Inhalte für unterschiedliche Medien, Dokumente und Zielgruppen

(Auszug aus "DITA - Der neue Standard für Technische Dokumentation" von Johannes Hentrich)

In der Technischen Dokumentation gehört die Verwaltung und die Wiederverwendung von Inhalten und Informationen zu den wichtigsten Aufgaben eines Technischen Redakteurs. Die Wiederverwendung von Inhalten ist insbesondere dann erforderlich, wenn:

  • Inhalte in unterschiedlichen Medien,
  • Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen,
  • Inhalte in unterschiedlichen Dokumenten

zur Verfügung stehen sollen.

Unterschiedliche Medien

Mit der Bereitstellung von Informationen und Inhalten in unterschiedlichen Medien musste man sich in der Technischen Dokumentation schon viel früher beschäftigen als in anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Verlagswirtschaft.

Inzwischen wurden in der Technischen Dokumentation zahlreiche Methoden entwickelt, wie Inhalte für unterschiedliche Medien wie Print-Dokumentation und Online-Hilfen erfasst, verwaltet und wiederverwendet werden können. Kommen neue Medien hinzu, wie zum Beispiel mobile Endgeräte, wird schnell nach einer passenden Lösung gesucht, damit die Inhalte mediengereicht aufbereitet werden können.

Zu den in der Praxis am häufigsten angewendeten Lösungen zur Wiederverwendung von Informationen gehören:

  • Die Inhalte werden für ein Medium erstellt. Für andere Medien werden die Inhalte in das entsprechende Datenformat übergeführt.
  • Die Inhalte werden zwar für ein Medium erstellt, jedoch möglichst medienneutral formuliert. Nach der Überführung der Inhalte in die für die Medien erforderlichen Datenformate werden Inhalte in den entsprechenden Medien mediengerecht weiterverarbeitet.
  • Die Inhalte werden für jedes Medium unabhängig voneinander erstellt.
  • Die Inhalte werden medienneutral erstellt, wobei die Inhalte danach gekennzeichnet werden, für welche Medien sie bestimmt sind. Bei der Produktion der einzelnen Medien werden dann nur die entsprechenden Inhalte berücksichtigt.

Welche der Lösungen angewendet wird, hängt neben den technischen Möglichkeiten vor allem davon ab, welche Informationen und Inhalte die Zielgruppe in den entsprechenden Medien erwartet. Zeitungsverlage beispielsweise mussten feststellen, dass Inhalte, die im gedruckten Medium Zeitung angeboten wurden, nur bedingt für das Medium Internet geeignet waren. Daher wurden dann neben den traditionellen Redaktionen gezielt Online-Redaktionen aufgebaut, mit der Aufgabe, Inhalte für das jeweilige Medium zu finden und sie entsprechend aufzubereiten. Häufig findet zwar ein Informationsaustausch zwischen den Redaktionen statt, aber letzten Endes produziert jede Redaktion die für das entsprechende Medium passenden Inhalte.

In der Technischen Dokumentation ist eine solche Lösung kaum praktikabel. Wie die Praxis zeigt, wird in der Technischen Dokumentation häufig immer noch der Weg beschritten, Inhalte für ein Medium, meistens das Buch, zu erstellen und dann die Inhalte in ein anderes Datenformat zu überführen, sodass damit die Inhalte beispielsweise auch in einer Online-Hilfe zur Verfügung stehen. Wenn dann die unzureichende, das heißt, die nicht mediengerechte Qualität der Inhalte in der Online-Hilfe erkannt wird, werden die Inhalte häufig nachbearbeitet. Selbstredend bedeutet dies, dass die Wartung der Inhalte bei solchen Prozessen sehr aufwändig ist. Und zudem ist der ganze Prozess sehr fehleranfällig.

Als Lösung dieses Problems wird häufig etwas angeboten, das mit dem Begriff „Single-Source-Publishing“ in Verbindung gebracht wird. Gemeint ist damit, dass Inhalte zentral erstellt und in einem medienneutralen Format wie XML abgespeichert werden. Danach werden durch entsprechende Verarbeitungsprozesse die einzelnen Medien produziert.

Damit ist der erste Teil der Aufgabe gelöst, nämlich wie Inhalte in die Dateiformate der entsprechenden Medien transformiert werden können, das heißt, beispielsweise in HTML für Online-Hilfen oder zu PDF für gedruckte Handbücher. Für den zweiten Teil der Aufgabe, die darin besteht, in Online-Medien modifizierte oder andere Inhalte als in der Print-Dokumentation zu verwenden, erfordert eine zusätzliche Lösung.

Eine mögliche Lösung, die in der Technischen Dokumentation praktiziert wird, ist eine Informationsstruktur wie DITA zu verwenden, die es ermöglicht, Inhalte gemäß ihrer späteren Verwendung in den unterschiedlichen Medien zu kennzeichnen. Zur Kennzeichnung der Inhalte werden Meta-Daten verwendet. Mithilfe eines Redaktionssystems, das die Kennzeichnung von Inhalten unterstützt, und der Verwendung eines Verarbeitungsmechanismus, der die Inhalte filtert und für die jeweiligen Medien ausgibt und produziert, kann dann von einem fast perfekten „Single-Source-Publishing“ gesprochen werden.

Obwohl DITA die besten Voraussetzungen für ein Single-Source-Publishing bietet, nämlich mit XML als einem medienneutralem Datenformat, Topics, die sich über Maps für einzelne Medien und Zielgruppen zusammenstellen lassen, und einen Mechanismus, mit dem Inhalte gekennzeichnet und wiederverwendet werden können, sind die Väter von DITA sehr zurückhaltend, wenn es um den Begriff „Single-Source-Publishing“ geht. Viel häufiger wird stattdessen von der Wiederverwendung von Inhalten gesprochen.

Der Grund dafür ist darin zu suchen, dass mit Single-Source-Publishing ein Prozess gemeint ist, der, unterstützt durch die entsprechenden Werkzeuge und Datenstrukturen, unterschiedliche Medien produzieren kann, deren zugrundeliegende Daten zentral in einem medienneutralen Format erfasst und verwaltet werden. DITA hingegen beschreibt keinen solchen Prozess, sondern stellt Strukturen zur Verfügung, die diesen Prozess unterstützen beziehungsweise die für den Prozess benötigt werden. Die Wiederverwendung von Informationen und Inhalten in unterschiedlichen Medien ist dabei eine der wichtigsten Komponenten.

Unterschiedliche Zielgruppen

Die Problematik, Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen bereitzustellen, ist nicht auf die Technische Dokumentation beschränkt. Jede Marketingabteilung weiß, wie wichtig es ist, jeder der von ihr identifizierten Zielgruppe die passenden Informationen zu bieten.

Betrachtet man die Situation in der Technischen Dokumentation, so wird dort zwar auch viel von Zielgruppen gesprochen, jedoch sind die Fälle, in der der Technische Redakteur seine Zielgruppen kennt, eher die Ausnahme als die Regel. Häufig hängen die Inhalte in der Technischen Dokumentation davon ab, was die unternehmensinternen Kritiker für wichtig erachten. Das kann mit den Erwartungen des Nutzers der Technischen Dokumentation übereinstimmen – oder aber, wie so in vielen Fällen, eben nicht.

Auch wenn die Bedürfnisse der Zielgruppen genau bekannt sind, ist die Bereitstellung der entsprechenden Inhalte für die jeweilige Zielgruppe bei einer dokumentenzentrierten Publikationsweise sehr aufwändig. Für eine Marketingabteilung kann es sich durchaus rechnen, wenn sie für jede Zielgruppe spezielle Dokumente erstellt. In der Technischen Dokumentation ist dies aber häufig nicht der Fall. Die Wartung einer großen Anzahl von Dokumenten, deren Inhalte auf die Bedürfnisse zahlreicher Zielgruppen abgestimmt sind, erweist sich in der Praxis als kaum durchführbar.

Der Aufwand für den Erstellungsprozess und die Wartung zielgruppenspezifischer Dokumente lässt sich erst dann deutlich reduzieren, wenn die Produktion der Inhalte nicht mehr an Dokumente gebunden ist. DITA liefert mit Topics dazu die geeigneten Informationsstrukturen. Des Weiteren können bei DITA über Meta-Daten die Inhalte in einer Weise gekennzeichnet werden, die festlegt, für welche Zielgruppe sie bestimmt sind. Und zu guter Letzt können mit den Verarbeitungsprozessen, die das DITA Open Toolkit bietet, die Inhalte gemäß der Zielgruppen gefiltert und für verschiedene Medien produziert werden.

Trotz der zahlreichen Möglichkeiten, die DITA für die zielgruppengerechte Produktion von Technischer Dokumentation bietet, ist zu bezweifeln, ob sie tatsächlich auch im großen Stil angewendet werden. Denn der technische Aufwand mag geringer geworden sein, nicht aber der Aufwand, die Zielgruppe und ihre Informationsbedürfnisse zu erfassen.

Unterschiedliche Dokumente

Während die Herausforderung, die verfügbaren Inhalte und Informationen in unterschiedlichen Medien bereitzustellen, inzwischen in vielen Bereichen bewältigt wird, ist die Problematik, die gleiche Information in unterschiedlichen Dokumenten zur Verfügung zu stellen, spezifischer auf die Technische Dokumentation ausgerichtet.

Werden beispielsweise mehrere Dokumente für eine Produktgruppe hergestellt, so können bestimmte Basisinformationen des Produkts in jedem der Dokumente erforderlich sein. Zu den Basisinformationen eines Produkts können dessen Kennzahlen ebenso gehören wie Beschreibungen oder Grafiken. Es lassen sich zahlreiche Beispiele anführen, wie Informationen zur Bedienung und zur Wartung eines Produkts in unterschiedliche Dokumente aufgenommen werden müssen. Die Aufgabe, der sich der Technische Redakteur hier gegenübergestellt sieht, ist immer dieselbe. Sie besteht darin, eine Möglichkeit zu finden, die Daten so zu organisieren, dass sie möglichst ohne Reibungsverluste in die unterschiedlichen Dokumente kommen. Lösungen für diese Herausforderungen zeigen Die Copy&Paste-Methode und Referenzierung auf.

Die Aufgabe wird zusätzlich noch dadurch erschwert, dass es oft gar nicht erforderlich ist, exakt die gleiche Information in unterschiedliche Dokumente zu transportieren, sondern Varianten der betreffenden Information. Gibt es Produktvarianten, für die auch individuelle Dokumente publiziert werden sollen, so können sich diese unter Umständen nur marginal von den Ursprungsdokumenten unterscheiden. Die Schwierigkeit besteht hier nicht darin, die neuen Dokumente zu erstellen, sondern eine Strategie zu entwickeln, um die Varianten zu verwalten. Eines der Kernprobleme besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Variantendokumente sozusagen „benachrichtigt“ werden, wenn sich in dem Basisdokument eine Information ändert, die nicht die Variante betrifft. Nur so kann sichergestellt werden, dass bei einer erneuten Produktion des Variantendokuments auch die aktualisierten Informationen des Basisdokuments enthalten ist.

Wird beispielsweise im Basisdokument einer Dokumentation für ein Softwareprodukt eine bestimmte Version einer Serversoftware benannt, die auch in den Variantendokumenten erwähnt wird, so muss sichergestellt werden, dass das Variantendokument die aktuelle Information enthält, wenn im Basisdokument die Version für die Serversoftware aktualisiert wurde.

In der Praxis begegnet man jedoch häufig weitaus komplizierteren Beispielen, nämlich dann, wenn nicht nur Kennzahlen ausgetauscht werden müssen, sondern oft ganze Beschreibungen oder Informationen, die zwar zusammengehören, aber über das ganze Dokument verteilt sind. Hier stößt man schnell an die Grenzen, wie Varianten verwaltet werden sollen.

Dokumentstandards können bei solchen Situationen nur bedingt weiterhelfen. Hilfreich ist es natürlich, wenn wie bei DITA Inhalte fast in beliebiger Granularität gekennzeichnet werden können. Damit kann zumindest gewährleistet werden, dass, wenn die Inhalte zentral verwaltet werden, diese sich bei einer Zusammenstellung und bei einer Neuproduktion eines Mediums in einem aktuellen Zustand befinden. Dagegen kann ein Dokumentationsstandard wie DITA wenig Unterstützung dabei bieten, wie Inhalte und insbesondere Varianten von Inhalten organisiert werden sollen. Eine entsprechende Strategie muss weitgehend unabhängig vom Dokumentationsstandard erarbeitet werden. Unterstützung kann hier durch eine entsprechende Redaktionsumgebung und durch Content-Management-Systeme gegeben werden. Informationen zu Redaktionsumgebungen erhalten Sie in Redaktionsumgebungen für DITA und Content-Management.

Somit sieht sich der Technische Redakteur in der Praxis vor allem folgenden beiden Herausforderungen gegenübergestellt: es müssen sowohl Informationen für unterschiedliche Medien als auch für unterschiedliche Dokumente produziert werden. Eine Matrix, wie die folgende, findet sich daher recht häufig in der Praxis.

Print Online
Dokument A (Basis) X
Variante A X X
Variante B X
Dokument B X
Dokument C (Basis) X X
Variante A X
Variante B X
Variante C X
...

Tabelle: Varianten eines Produkts in unterschiedlichen Medien.

Bei der Wiederverwendung von Informationen handelt es sich als um ein mehrdimensionales Problem, besonders wenn Dokumente in mehreren Sprachen für unterschiedliche Märkte zur Verfügung stehen müssen. „Multilinguale Dokumentationen“ befasst sich ausführlicher mit diesem Thema.

Bisher wurde die Wiederverwendung von Informationen aus dem Blickwinkel des Technischen Redakteurs betrachtet, das bedeutet, welche Anforderungen an die Wiederverwendung von Informationen bei der Produktion von Technischer Dokumentation gestellt werden. So erfolgt die Wiederverwendung von Informationen vor allem aus der Motivation heraus, die Arbeitsabläufe zu verkürzen und schneller die benötigten Dokumente für die unterschiedlichen Medien produzieren zu können. Aber ein weiterer Aspekt spielt bei der Wiederverwendung von Information eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar eine wichtigere Rolle, nämlich die Gewährleistung konsistenter Inhalte innerhalb der Technischen Dokumentation. Gestaltet sich beim Technischen Redakteur der Prozess der Wiederverwendung von Inhalten als schwierig, sei es in unterschiedlichen Medien oder in unterschiedlichen Dokumenten, so reflektiert sich das sofort in einer mangelnden Konsistenz in der Technischen Dokumentation. Und dies wird beim Nutzer als mangelnde Qualität einer Technischen Dokumentation wahrgenommen.

  

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