Charles Darwin und die Technische Dokumentation

(Auszug aus "DITA - Der neue Standard für Technische Dokumentation" von Johannes Hentrich)

Studiert man Charles Darwins (1809 – 1882) epochales Werk Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl wird man viel über Vögel und Schildkröten erfahren können, jedoch so gut wie gar nichts – wen wundert’s – über Technische Dokumentation. Dass Charles Darwin dennoch als Pate für ein neues Konzept zur Erstellung von Technischer Dokumentation stand, nämlich für DITA, der Darwin Information Typing Architecture, ist dem Begründer der Evolutionstheorie vor allem seinen Erkenntnissen im Bereich der Vererbungslehre und der damit möglichen Spezialisierung zu verdanken.

Das Prinzip der Spezialisierung durch Vererbung ist einer der Grundpfeiler des XML-basierten Standards DITA. Ähnlich dem aus der objektorientierten Programmierung her bekannten Konzept, können bestimmte Eigenschaften auf untergeordnete Informationsstrukturen weitergegeben, das heißt „vererbt“ werden. DITA definiert einen Mechanismus, wie eine solche Spezialisierung zu erfolgen hat.

Sicherlich gehört die Spezialisierung zu den Besonderheiten von DITA. Jedoch können sich auch die Konzepte für die Wiederverwendung und die Verarbeitung von Inhalten durchaus sehen lassen. Allein dass diese Konzepte keinen Paten aufweisen können, mag dazu geführt haben, dass sie nicht mit dem Namen von DITA verbunden wurden.

So erhielt DITA neben der Referenz zu Charles Darwin noch durch folgende Eigenschaften ihren Namen:

  1. Informationen werden in DITA typisiert, womit die beiden Buchstaben IT (Information Typing) im Namen DITA ihre Berechtigung erhalten.
    Die zentrale Informationsstruktur in DITA, in der Informationen erfasst werden, ist das Topic. Ein Topic ist in sich abgeschlossen, das heißt, in einem Topic wird ein Thema vollständig abgehandelt. Topics sind daher (im Idealfall) voneinander unabhängig. Das Konzept von Topics ist von Online-Hilfen her wohlbekannt. Die Typisierung von Informationen bedeutet, dass einem Topic ein bestimmter Informationstyp zugeordnet wird, das heißt, es wird festgelegt, welche Art von Informationen in einem Topic erfasst werden. In DITA werden standardmäßig fünf Topictypen zur Verfügung gestellt: der generische Topictyp, sowie die vier weiteren Topictypen „Konzept“ (concept), „Aufgabe“ (task), „Referenz“ (reference) und „Glossar“ (glossary).
  2. DITA ist eine Architektur (Architecture), was bedeutet, dass DITA nicht nur den für einen XML-Standard notwendigen Satz von DTDs beziehungsweise XML-Schemata bereitstellt, das heißt also Informationen darüber, wie die Informationsstrukturen Topics, Maps usw. aufgebaut sind, sondern darüber hinaus noch eine Reihe von Regeln bietet, wie Inhalte wiederverwendet und verarbeitet werden können, und wie die vorgegebenen Informationsstrukturen an die eigenen Bedürfnisse angepasst und erweitert werden können.

Die Entwicklung von DITA begann bei IBM, ebenso wie seinerzeit die Entwicklung von SGML (Structured Generalized Markup Language), ebenfalls ein Standard, der in der Technischen Dokumentation zur Anwendung kam. Die Komplexität von SGML war es schließlich, die IBM nach neuen Wegen suchen ließ, um einen flexibleren und einfacher zu handhabenden Dokumentationsstandard zu entwickeln. Das Resultat war DITA, welches 2001 der Fachwelt mit dem Artikel DITA: An XML-based Technical Authoring and Publishing Architecture in der amerikanischen Fachzeitschrift Technical Communication vorgestellt wurde. Auch die Website von IBM lieferte zu diesem Zeitpunkt schon umfangreiche Informationen rund um DITA.

Zu den Erfindern der ersten Stunde gehören insbesondere Don Day und Michael Priestley von IBM, die heute immer noch die Entwicklung von DITA vorantreiben. Sie nehmen auch sehr aktiv an Foren teil, wie zum Beispiel in der Yahoo! Group dita-users.

Die Entwicklung von DITA schritt kontinuierlich voran und schließlich war es im Mai 2005 soweit: DITA wurde OASIS-Standard. OASIS (Organization for the Advancement of Structured Information Standards) ist eine internationale, Non-Profit-Organisation, die sich mit der Entwicklung von E-Business-Standards beschäftigt. Zu den Mitgliedern gehören namhafte Firmen, wobei jedoch die Spezifikationen der Standards mit den Namen der Mitglieder versehen sind und nicht mit dem Firmennamen.

Die Dokumente, die DITA als OASIS-Standard definieren, bestehen aus einer Architekturspezifikation und einer Sprachspezifikation.

In der Sprachspezifikation werden die in DITA zur Verfügung stehenden XML-Elemente, knapp 300, und deren Attribute definiert. Bei den Elementen wird neben dem Inhaltsmodell auch angegeben, wie die Elemente hierarchisch in Verbindung stehen, das heißt, wie ihre Vererbungsreihenfolge aufgebaut ist. In einigen wenigen Fällen gibt die Sprachspezifikation auch Auskunft darüber, wie die einzelnen Elemente mit Inhalt zu füllen sind.

Wesentlich interessanter als die Sprachspezifikation ist die Architekturspezifikation, in der ausführlich auf die Spezialisierung von Informationsstrukturen sowie die Wiederverwendung und Verarbeitung von Inhalten eingegangen wird. Jedoch ist die Darstellung in der Architekturspezifikation oft sehr abstrakt, wodurch die praktische Anwendung von DITA nicht gerade erleichtert wird. So wird man beispielsweise sowohl in der Sprach- als auch in der Architekturspezifikation vergeblich nach einem Beispiel für ein Verarbeitungsprofil für die bedingte Verarbeitung suchen, das benötigt wird, um Inhalte für Ausgabemedien filtern oder kennzeichnen zu können.

Inzwischen aber sind im Internet zahlreiche Tutorials zu finden, die die Lücke zur praktischen Anwendung hin schließen. Auch finden sich in der Dokumentation zum DITA Open Toolkit, der Entwicklungsumgebung zur Verarbeitung der DITA XML-Dateien, zahlreiche praktische Beispiele.

Im Mai 2007 wurde DITA erweitert, sodass DITA jetzt in der Version 1.1 vorliegt. (Anmerkung der data2type-Redaktion: DITA liegt seit Dezember 2010 in der Version 1.2 vor!) In der Sprachspezifikation wurden insbesondere Elemente hinzugeführt, die für die Produktion von Büchern notwendig sind. Aufgrund der topicbasierten Struktur von DITA lag bisher der Schwerpunkt eher auf der Produktion von Online-Hilfen. Die Architekturspezifikation wurde auch um ein Kapitel ergänzt, dessen Thema die Weiterverarbeitung von Inhalten ist.

Aufgrund des immer häufigeren Einsatzes von DITA in der Praxis und der damit verbundenen Anforderungen an Ergänzungen und Modifikationen bleibt die Entwicklung von DITA nicht stehen. Mit DITA 1.2 steht schon der nächste Entwicklungsschritt vor der Tür, und es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis man bei einem DITA 2.0 angekommen ist. Allerdings stellt sich die Frage, ob dann DITA mit allen Ergänzungen und Modifikationen immer noch die klare Struktur aufweist, wie das mit der Version 1.1 der Fall ist.

Zu DITA gehörend, aber nicht in den OASIS-Standard mit eingeschlossen, ist das DITA Open Toolkit dennoch ein zentraler Bestandteil von DITA. Das DITA Open Toolkit stellt eine Java-basierte Umgebung zur Verfügung, mit der die DITA XML-Dateien zu Ausgabemedien wie HTML, PDF, JavaHelp oder Eclipse-Help verarbeitet werden können. Insbesondere unterstützt das DITA Open Toolkit auch die Verarbeitung von so genannten spezialisierten Elementen, das heißt, Elementen, die mittels der DITA-Architektur neu entwickelt werden können. Das DITA Open Toolkit wird parallel zu der DITA-Spezifikation entwickelt und liegt zurzeit als Version 1.4.2.1 vor. (Anmerkung der data2type-Redaktion: das DITA Open Toolkit gibt es aktuell in der Version 2.0, Stand Januar 2015)

  

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